Grundlagen der Kündigung im Arbeitsrecht

Der Brief liegt auf dem Küchentisch. "Kündigung" steht da schwarz auf weiß. Das Herz rast, die Gedanken kreisen. Was bedeutet das jetzt für die Miete, die Familie, die Zukunft? Jedes Jahr erhalten Hunderttausende Arbeitnehmer in Deutschland eine Kündigung – und die meisten wissen nicht, welche Rechte sie haben und wie sie sich wehren können.

Eine Kündigung ist die einseitige Erklärung einer Vertragspartei, das Arbeitsverhältnis beenden zu wollen. Das klingt einfach, doch das deutsche Arbeitsrecht stellt hohe Hürden auf, bevor ein Arbeitgeber wirksam kündigen kann. Diese Hürden zu kennen, kann den entscheidenden Unterschied machen zwischen dem Verlust des Arbeitsplatzes und einer erfolgreichen Gegenwehr.

Das Kündigungsrecht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), im Kündigungsschutzgesetz (KSchG) und in zahlreichen Spezialgesetzen geregelt. Hinzu kommen Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und individuelle Arbeitsverträge, die zusätzliche Schutzbestimmungen enthalten können. Diese Regelungsvielfalt macht das Kündigungsrecht zu einem der komplexesten Bereiche des Arbeitsrechts.

Gesetzliche Grundlagen und Regelungsebenen

Das BGB regelt in den §§ 620 ff. die grundlegenden Bestimmungen zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Hier finden sich die allgemeinen Kündigungsfristen und Formvorschriften. Das Kündigungsschutzgesetz ergänzt diese Regelungen für Arbeitnehmer in größeren Betrieben und schränkt die Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers erheblich ein.

Tarifverträge können längere Kündigungsfristen oder zusätzliche Kündigungsvoraussetzungen festlegen. Viele Tarifverträge sehen etwa vor, dass Arbeitnehmer nach einer bestimmten Betriebszugehörigkeit nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden können. Der individuelle Arbeitsvertrag kann ebenfalls günstigere Regelungen für den Arbeitnehmer enthalten, jedoch niemals ungünstigere als das Gesetz oder der Tarifvertrag vorsehen.

Voraussetzungen einer wirksamen Kündigung

Damit eine Kündigung wirksam ist, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst muss die Kündigung von einer kündigungsberechtigten Person ausgesprochen werden. Beim Arbeitgeber ist das der Geschäftsführer, Inhaber oder eine bevollmächtigte Person. Eine Kündigung durch einen nicht bevollmächtigten Vorgesetzten ist unwirksam.

Die Kündigung muss dem Empfänger auch tatsächlich zugehen. Der Zugang liegt vor, wenn die Erklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser unter normalen Umständen davon Kenntnis nehmen kann. Ein Brief im Briefkasten gilt als zugegangen, sobald mit der nächsten Leerung zu rechnen ist – auch wenn der Empfänger im Urlaub ist.

Praxis-Tipp: Kündigungszugang dokumentieren

Notieren Sie sofort Datum und Uhrzeit, wenn Sie eine Kündigung erhalten. Fotografieren Sie den Briefumschlag mit Poststempel. Diese Dokumentation ist entscheidend für die Berechnung der dreiwöchigen Klagefrist. Bei persönlicher Übergabe bestätigen Sie den Empfang, aber niemals den Inhalt oder Ihre Zustimmung.

Arten der Kündigung: Ordentlich vs. außerordentlich

Das Arbeitsrecht unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei Kündigungsarten, die sich in ihren Voraussetzungen und Wirkungen erheblich unterscheiden. Diese Unterscheidung ist nicht nur akademischer Natur, sondern hat massive praktische Auswirkungen auf die Rechte des gekündigten Arbeitnehmers.

Während die ordentliche Kündigung den Regelfall darstellt und unter Einhaltung von Fristen erfolgt, ist die außerordentliche Kündigung das schärfste Schwert im Arbeitsrecht. Sie beendet das Arbeitsverhältnis sofort, ohne Kündigungsfrist – mit allen Konsequenzen für den betroffenen Arbeitnehmer.

Die ordentliche Kündigung im Detail

Die ordentliche Kündigung ist die "normale" Form der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Sie erfolgt unter Einhaltung der gesetzlichen, tariflichen oder vertraglichen Kündigungsfristen. Während der Kündigungsfrist besteht das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten fort.

Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Weiterbeschäftigung und Vergütung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Gleichzeitig muss er weiterhin seine Arbeitsleistung erbringen. Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer allerdings von der Arbeit freistellen, muss dann aber das Gehalt weiterzahlen. Eine ordentliche Kündigung muss im Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes sozial gerechtfertigt sein.

Auch der Arbeitnehmer kann ordentlich kündigen. Für ihn gilt die Grundkündigungsfrist von vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats. Diese Frist kann vertraglich verlängert werden, wobei die Frist für den Arbeitnehmer nicht länger sein darf als die für den Arbeitgeber.

Die außerordentliche (fristlose) Kündigung

Die außerordentliche Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung. Sie ist nur zulässig, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der es dem Kündigenden unzumutbar macht, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen.

Typische Gründe für eine außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber sind schwere Pflichtverletzungen wie Diebstahl, Arbeitszeitbetrug, Tätlichkeiten gegenüber Kollegen oder beharrliche Arbeitsverweigerung. Aber auch der Arbeitnehmer kann außerordentlich kündigen, etwa bei ausbleibender Gehaltszahlung, schweren Beleidigungen oder erheblichen Arbeitsschutzverstößen.

Beispiel: Grenzen der fristlosen Kündigung

Ein langjähriger Mitarbeiter eines Supermarkts nahm zwei Brötchen aus der Auslage, ohne zu bezahlen. Der Arbeitgeber kündigte fristlos wegen Diebstahls. Das Arbeitsgericht erklärte die Kündigung für unwirksam. Bei einem langjährigen, unbescholtenen Arbeitsverhältnis und einem geringfügigen Vergehen hätte eine Abmahnung ausgereicht. Die Kündigung war unverhältnismäßig.

Die außerordentliche Kündigung muss innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des wichtigen Grundes ausgesprochen werden. Verpasst der Arbeitgeber diese Frist, ist die außerordentliche Kündigung unwirksam. Diese Ausschlussfrist wird oft übersehen und bietet einen wichtigen Ansatzpunkt für die Verteidigung.

Die Änderungskündigung als Sonderform

Bei der Änderungskündigung kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet gleichzeitig die Fortsetzung zu geänderten Bedingungen an. Diese Form wird häufig genutzt, um Arbeitsbedingungen wie Gehalt, Arbeitszeit oder Arbeitsort einseitig zu ändern.

Der Arbeitnehmer hat drei Möglichkeiten: Er kann das Änderungsangebot annehmen, es ablehnen (dann endet das Arbeitsverhältnis) oder es unter dem Vorbehalt annehmen, dass die Änderung sozial gerechtfertigt ist. Diese letzte Option ist oft die klügste: Das Arbeitsverhältnis besteht zu den neuen Bedingungen fort, aber das Arbeitsgericht prüft, ob die Änderung rechtmäßig war.

Kündigungsfristen und Formvorschriften

Die Einhaltung von Kündigungsfristen und Formvorschriften ist keine bloße Förmelei, sondern entscheidet über Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Kündigung. Ein falsches Datum, eine fehlende Unterschrift oder ein Zustellungsfehler können die gesamte Kündigung zu Fall bringen.

Das Gesetz hat hier bewusst strenge Anforderungen aufgestellt, um Arbeitnehmer vor übereilten oder nicht nachweisbaren Kündigungen zu schützen. Diese Formvorschriften sind zwingend und können weder durch Arbeitsvertrag noch durch Tarifvertrag abbedungen werden.

Gesetzliche Kündigungsfristen nach § 622 BGB

Die Grundkündigungsfrist beträgt vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats. Diese Frist gilt für beide Seiten gleichermaßen in den ersten zwei Jahren des Arbeitsverhältnisses. Danach verlängert sich die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber gestaffelt nach der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers.

Nach zwei Jahren Betriebszugehörigkeit beträgt die Kündigungsfrist einen Monat zum Monatsende, nach fünf Jahren zwei Monate, nach acht Jahren drei Monate, nach zehn Jahren vier Monate, nach zwölf Jahren fünf Monate, nach fünfzehn Jahren sechs Monate und nach zwanzig Jahren sieben Monate zum Monatsende. Diese verlängerten Fristen gelten nur für Kündigungen durch den Arbeitgeber.

Checkliste: Kündigungsfristen berechnen

  • Betriebszugehörigkeit exakt ermitteln (ab erstem Arbeitstag)
  • Arbeitsvertrag auf abweichende Fristen prüfen (nur längere sind wirksam)
  • Anwendbaren Tarifvertrag auf Sonderregelungen prüfen
  • Datum des Kündigungszugangs festhalten (nicht Absendedatum!)
  • Ende der Kündigungsfrist berechnen (15. oder Monatsende)
  • Bei Fehlern: Dreiwochenfrist für Kündigungsschutzklage beachten

Das zwingende Schriftformerfordernis

Nach § 623 BGB bedarf die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Das bedeutet: Die Kündigung muss auf Papier verfasst und eigenhändig unterschrieben sein. Eine Kündigung per E-Mail, WhatsApp, Fax oder mündlich ist unwirksam – und zwar unheilbar unwirksam.

Die Unterschrift muss den Text räumlich abschließen. Eine Unterschrift am Anfang oder am Rand des Schreibens genügt nicht. Auch Paraphierungen oder unleserliche Kürzel sind keine wirksame Unterschrift. Der Kündigende muss mit seinem vollständigen Namen unterschreiben, wobei der Familienname ausreicht.

Bei juristischen Personen wie GmbHs muss die Kündigung von einem Vertretungsberechtigten unterschrieben sein. Ist das nicht der Geschäftsführer selbst, sollte eine Vollmachtsurkunde im Original beigefügt sein. Fehlt diese, kann der Arbeitnehmer die Kündigung unverzüglich zurückweisen – sie wird dann unwirksam.

Praxis-Tipp: Kündigung wegen Formmangels zurückweisen

Wurde Ihnen eine Kündigung ohne Originalvollmacht von einem Personalleiter oder Prokuristen überreicht? Weisen Sie die Kündigung sofort und ausdrücklich schriftlich zurück – am besten noch am selben Tag. Begründen Sie die Zurückweisung damit, dass keine Vollmacht im Original vorgelegt wurde. Diese Zurückweisung macht die Kündigung unwirksam.

Zugang der Kündigung und Berechnung der Frist

Eine Kündigung wird erst wirksam, wenn sie dem Empfänger zugeht. Der Zugang liegt vor, wenn die Kündigung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser unter gewöhnlichen Umständen Kenntnis nehmen kann. Bei einem Brief bedeutet das: Einwurf in den Briefkasten zu den üblichen Postzustellzeiten.

Ein am Samstag eingeworfener Brief gilt am Samstag als zugegangen, da mit Postzustellung auch samstags zu rechnen ist. Ein am Sonntagabend eingeworfener Brief gilt hingegen erst am Montag als zugegangen. Diese Unterscheidung kann bei knappen Fristen entscheidend sein.

Probleme entstehen bei Urlaub oder Abwesenheit. Grundsätzlich geht eine Kündigung auch dann zu, wenn der Empfänger verreist ist. Der Arbeitnehmer muss für eine regelmäßige Briefkastenleerung sorgen oder einen Nachsendeauftrag einrichten. Nur bei längerer, dem Absender bekannter Abwesenheit kann der Zugang verzögert sein.

Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz

Das Kündigungsschutzgesetz ist das wichtigste Schutzinstrument für Arbeitnehmer gegen willkürliche Kündigungen. Es schränkt die Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers erheblich ein und verlangt, dass jede Kündigung sozial gerechtfertigt sein muss. Doch nicht jeder Arbeitnehmer fällt unter diesen Schutz.

Ob das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist, hängt von zwei Faktoren ab: der Betriebsgröße und der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein. Fehlt eine davon, kann der Arbeitgeber grundsätzlich ohne Angabe von Gründen kündigen.

Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes

Das Kündigungsschutzgesetz gilt nur in Betrieben mit mehr als zehn Arbeitnehmern. Bei der Berechnung werden Vollzeitbeschäftigte mit dem Faktor 1,0 gezählt, Teilzeitbeschäftigte mit bis zu 20 Stunden mit 0,5 und Teilzeitbeschäftigte mit bis zu 30 Stunden mit 0,75. Auszubildende werden nicht mitgezählt.

Die zweite Voraussetzung ist eine Betriebszugehörigkeit von mehr als sechs Monaten zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung. Diese Wartezeit dient dazu, dem Arbeitgeber die Möglichkeit zu geben, den Arbeitnehmer kennenzulernen und seine Eignung zu beurteilen. Während dieser sechs Monate kann ohne Grund gekündigt werden.

Für Arbeitnehmer in Kleinbetrieben oder während der ersten sechs Monate besteht kein Kündigungsschutz nach dem KSchG. Sie können sich nur auf allgemeine Unwirksamkeitsgründe berufen, etwa sittenwidrige Kündigungen oder Verstöße gegen Diskriminierungsverbote. Der Schutz ist hier deutlich schwächer.

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Soziale Rechtfertigung der Kündigung

Im Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes ist eine Kündigung nur wirksam, wenn sie sozial gerechtfertigt ist. Das bedeutet, dass ein anerkannter Kündigungsgrund vorliegen muss und die Kündigung verhältnismäßig sein muss. Der Arbeitgeber trägt die Beweislast für das Vorliegen des Kündigungsgrundes.

Das Gesetz kennt drei Kategorien von Kündigungsgründen: betriebsbedingte, personenbedingte und verhaltensbedingte Gründe. Jede Kategorie hat eigene Voraussetzungen und erfordert eine andere Prüfung. Die Einordnung ist wichtig, weil sie bestimmt, welche Anforderungen der Arbeitgeber erfüllen muss.

Selbst wenn ein Kündigungsgrund vorliegt, muss die Kündigung verhältnismäßig sein. Das bedeutet: Gibt es mildere Mittel als die Kündigung, sind diese vorrangig anzuwenden. Bei verhaltensbedingten Kündigungen ist in der Regel zunächst eine Abmahnung erforderlich. Bei betriebsbedingten Kündigungen muss geprüft werden, ob eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz möglich ist.

Zulässige Kündigungsgründe im Überblick

Die Frage nach dem Kündigungsgrund ist die zentrale Frage im Kündigungsschutzprozess. Der Arbeitgeber muss einen der drei gesetzlich anerkannten Kündigungsgründe darlegen und beweisen können. Ohne tragfähigen Grund ist die Kündigung unwirksam – auch wenn alle Formalien eingehalten wurden.

In der Praxis scheitern viele Kündigungen daran, dass der Arbeitgeber den Kündigungsgrund nicht ausreichend dokumentiert hat oder dass er die Voraussetzungen nicht vollständig erfüllen kann. Eine genaue Kenntnis der Anforderungen ist daher sowohl für die Verteidigung als auch für die Einschätzung der Erfolgsaussichten unerlässlich.

Betriebsbedingte Kündigung

Eine betriebsbedingte Kündigung ist zulässig, wenn dringende betriebliche Erfordernisse der Weiterbeschäftigung entgegenstehen. Typische Gründe sind Auftragsrückgang, Rationalisierungsmaßnahmen, Betriebsschließung oder Outsourcing von Unternehmensbereichen. Der Arbeitgeber muss die unternehmerische Entscheidung, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes führt, konkret darlegen.

Die unternehmerische Entscheidung selbst wird vom Arbeitsgericht nur auf offensichtliche Willkür geprüft. Aber der Arbeitgeber muss nachweisen, dass der konkrete Arbeitsplatz tatsächlich wegfällt und keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht. Gibt es freie Stellen im Unternehmen, auf denen der Arbeitnehmer nach zumutbarer Umschulung eingesetzt werden könnte, ist die Kündigung unwirksam.

Bei betriebsbedingten Kündigungen muss zusätzlich eine Sozialauswahl durchgeführt werden. Der Arbeitgeber muss unter vergleichbaren Arbeitnehmern denjenigen kündigen, den die Kündigung sozial am wenigsten hart trifft. Berücksichtigt werden dabei Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung.

Beispiel: Fehlerhafte Sozialauswahl

Ein Unternehmen musste eine Stelle im Vertrieb streichen und kündigte einem 52-jährigen Mitarbeiter mit 20 Jahren Betriebszugehörigkeit und zwei unterhaltsberechtigten Kindern. Ein 35-jähriger Kollege mit nur 3 Jahren Betriebszugehörigkeit und ohne Unterhaltspflichten behielt seinen Job. Das Arbeitsgericht erklärte die Kündigung für unwirksam: Die Sozialauswahl war grob fehlerhaft.

Personenbedingte Kündigung

Eine personenbedingte Kündigung kommt in Betracht, wenn der Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Person liegen, nicht mehr in der Lage ist, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen. Der häufigste Fall ist die krankheitsbedingte Kündigung, aber auch fehlende Arbeitserlaubnis, Führerscheinentzug bei Berufskraftfahrern oder der Verlust einer notwendigen Zulassung können personenbedingte Kündigungsgründe sein.

Die krankheitsbedingte Kündigung ist nur unter strengen Voraussetzungen zulässig. Es muss eine negative Gesundheitsprognose vorliegen, also die Erwartung, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft erhebliche Fehlzeiten haben wird. Außerdem müssen die Fehlzeiten zu erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen führen, und eine Interessenabwägung muss zugunsten des Arbeitgebers ausfallen.

Vor einer krankheitsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchführen. Unterlässt er dies, verschlechtern sich seine Chancen im Kündigungsschutzprozess erheblich, weil er nicht nachweisen kann, dass keine milderen Mittel zur Verfügung standen.

Verhaltensbedingte Kündigung

Eine verhaltensbedingte Kündigung setzt ein schuldhaftes Fehlverhalten des Arbeitnehmers voraus. Der Arbeitnehmer muss gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen haben, und zwar in vorwerfbarer Weise. Typische Beispiele sind unentschuldigtes Fehlen, Arbeitsverweigerung, Beleidigungen, Alkohol am Arbeitsplatz oder Verstöße gegen betriebliche Regeln.

Grundsätzlich ist vor einer verhaltensbedingten Kündigung eine Abmahnung erforderlich. Die Abmahnung soll dem Arbeitnehmer die Möglichkeit geben, sein Verhalten zu ändern. Erst wenn der Arbeitnehmer trotz Abmahnung erneut gegen seine Pflichten verstößt, ist eine Kündigung möglich. Ausnahmen gelten nur bei besonders schweren Verstößen, die das Vertrauensverhältnis so stark erschüttern, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch für kurze Zeit unzumutbar ist.

Praxis-Tipp: Abmahnungen prüfen und anfechten

Prüfen Sie jede Abmahnung sofort auf ihre Berechtigung. Eine unwirksame Abmahnung kann keine spätere Kündigung stützen. Fordern Sie schriftlich die Entfernung unberechtigter Abmahnungen aus der Personalakte. Dokumentieren Sie Ihre Gegenposition, auch wenn der Arbeitgeber die Abmahnung nicht zurücknimmt – diese Dokumentation kann im Kündigungsschutzprozess wichtig werden.

Kündigungsschutzklage: Fristen und Verfahren

Die Kündigungsschutzklage ist das zentrale Instrument zur Verteidigung gegen eine unrechtmäßige Kündigung. Sie muss innerhalb einer sehr kurzen Frist erhoben werden und kann das Arbeitsverhältnis retten oder zumindest zu einer Abfindung führen. Wer diese Frist versäumt, verliert in aller Regel endgültig seinen Kündigungsschutz.

Das Verfahren vor dem Arbeitsgericht folgt eigenen Regeln und unterscheidet sich erheblich vom normalen Zivilprozess. Es ist auf schnelle Erledigung und gütliche Einigung ausgerichtet. Die meisten Kündigungsschutzverfahren enden mit einem Vergleich, nicht mit einem Urteil.

Die dreiwöchige Klagefrist

Nach § 4 KSchG muss die Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht eingehen. Diese Frist ist eine Ausschlussfrist – wird sie versäumt, gilt die Kündigung als von Anfang an wirksam, selbst wenn sie offensichtlich rechtswidrig war.

Die Dreiwochenfrist beginnt mit dem Zugang der Kündigung, nicht mit dem Datum auf dem Kündigungsschreiben. Geht die Kündigung am 15. Januar zu, endet die Frist am 5. Februar um 24:00 Uhr. Fällt das Fristende auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, endet die Frist erst am nächsten Werktag.

Für die Fristwahrung genügt der Eingang der Klage beim Arbeitsgericht. Die Klage muss nicht zugestellt sein. Auch ein Telefax am letzten Tag der Frist reicht aus, wenn es vor Mitternacht vollständig eingeht. Die Klageschrift muss nur die wesentlichen Angaben enthalten: Parteien, Kündigungsdatum, Begehren auf Feststellung der Unwirksamkeit.

Ablauf des Kündigungsschutzverfahrens

Nach Eingang der Klage setzt das Arbeitsgericht einen Gütetermin an, der in der Regel innerhalb von zwei bis drei Wochen stattfindet. Im Gütetermin versucht der Richter, eine gütliche Einigung zwischen den Parteien zu erzielen. Die meisten Kündigungsschutzverfahren enden bereits in diesem Stadium mit einem Vergleich.

Kommt keine Einigung zustande, wird ein Kammertermin angesetzt. Hier entscheidet das Gericht mit einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern (je ein Arbeitgeber- und ein Arbeitnehmervertreter) über die Wirksamkeit der Kündigung. Der Arbeitgeber muss den Kündigungsgrund darlegen und beweisen, der Arbeitnehmer kann Einwendungen erheben.

Checkliste: Vorbereitung auf die Kündigungsschutzklage

  • Kündigungsschreiben mit Briefumschlag und Poststempel sichern
  • Arbeitsvertrag und alle Nachträge zusammenstellen
  • Gehaltsabrechnungen der letzten 12 Monate sammeln
  • Alle Abmahnungen und deren Gegendarstellungen heraussuchen
  • Schriftverkehr mit dem Arbeitgeber dokumentieren
  • Zeugen für entlastende Umstände identifizieren
  • Eigene Darstellung des Sachverhalts schriftlich festhalten

Nachträgliche Zulassung der Klage

Wurde die Dreiwochenfrist unverschuldet versäumt, kann unter strengen Voraussetzungen die nachträgliche Zulassung der Klage beantragt werden. Dies kommt etwa in Betracht bei schwerer Krankheit, Unfall oder wenn die Kündigung arglistig verheimlicht wurde.

Der Antrag auf nachträgliche Zulassung muss innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt werden. Die Anforderungen sind hoch: Einfache Nachlässigkeit oder Unkenntnis der Frist reichen nicht aus. Der Arbeitnehmer muss darlegen und beweisen, dass er trotz Anwendung aller ihm zumutbaren Sorgfalt an der rechtzeitigen Klageerhebung gehindert war.

Abfindung bei Kündigung: Anspruch und Höhe

Die Abfindung ist einer der am meisten missverstandenen Begriffe im Arbeitsrecht. Viele Arbeitnehmer glauben, sie hätten bei einer Kündigung automatisch Anspruch auf eine Abfindung. Das ist ein Irrtum. Einen gesetzlichen Anspruch auf Abfindung gibt es nur in wenigen Ausnahmefällen.

In der Praxis werden Abfindungen jedoch häufig gezahlt, und zwar als Ergebnis von Verhandlungen oder gerichtlichen Vergleichen. Die Abfindung ist der Preis, den der Arbeitgeber zahlt, um das Risiko eines Kündigungsschutzprozesses zu vermeiden oder zu beenden.

Warum es keinen automatischen Abfindungsanspruch gibt

Das deutsche Arbeitsrecht ist auf Bestandsschutz ausgerichtet, nicht auf Abfindung. Das Kündigungsschutzgesetz soll in erster Linie den Arbeitsplatz erhalten, nicht eine Entschädigung für seinen Verlust gewähren. Deshalb führt eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage zur Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht – nicht zu einer Abfindung.

Ein gesetzlicher Abfindungsanspruch besteht nur in zwei Fällen: Nach § 1a KSchG kann der Arbeitgeber bei einer betriebsbedingten Kündigung eine Abfindung anbieten, wenn der Arbeitnehmer auf eine Kündigungsschutzklage verzichtet. Die Höhe beträgt dann 0,5 Monatsgehälter pro Jahr der Betriebszugehörigkeit. Außerdem kann das Gericht nach § 9 KSchG auf Antrag eine Abfindung festsetzen, wenn zwar die Kündigung unwirksam ist, aber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar geworden ist.

Abfindung als Verhandlungsergebnis

In der Praxis entstehen Abfindungen fast immer durch Vergleich. Der Arbeitgeber will das Risiko vermeiden, den Prozess zu verlieren und den Arbeitnehmer weiterbeschäftigen zu müssen. Der Arbeitnehmer akzeptiert das Ende des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung. Beide Seiten bekommen so Rechtssicherheit.

Die Höhe der Abfindung ist reine Verhandlungssache. Als Faustformel gilt: 0,5 bis 1,0 Bruttomonatsgehälter pro Jahr der Betriebszugehörigkeit. Die tatsächliche Höhe hängt von vielen Faktoren ab: Erfolgsaussichten der Klage, Arbeitsmarktchancen des Arbeitnehmers, Finanzlage des Unternehmens, Interesse an schneller Beendigung.

Beispiel: Abfindungsverhandlung im Gütetermin

Eine Vertriebsleiterin mit 15 Jahren Betriebszugehörigkeit und einem Bruttogehalt von 6.000 Euro wurde betriebsbedingt gekündigt. Im Gütetermin stellte sich heraus, dass die Sozialauswahl fehlerhaft war. Der Arbeitgeber bot zunächst 0,5 Gehälter pro Jahr an (45.000 Euro). Nach Verhandlung einigte man sich auf 0,8 Gehälter pro Jahr (72.000 Euro). Die Arbeitnehmerin erhielt zusätzlich ein sehr gutes Arbeitszeugnis.

Steuerliche Behandlung von Abfindungen

Abfindungen sind als außerordentliche Einkünfte steuerpflichtig, aber es gibt eine Vergünstigung: die sogenannte Fünftelregelung. Dabei wird die Steuer so berechnet, als wäre die Abfindung auf fünf Jahre verteilt worden. Das kann die Steuerlast erheblich senken, besonders wenn die Abfindung hoch ist.

Sozialversicherungsbeiträge fallen auf Abfindungen nicht an, sofern sie als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt werden. Anders ist es bei Zahlungen, die als Arbeitsentgelt qualifiziert werden, etwa Urlaubsabgeltung oder ausstehende Gehälter, die im Vergleich mitgeregelt werden.

Besonderer Kündigungsschutz für bestimmte Personengruppen

Neben dem allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz genießen bestimmte Personengruppen einen besonderen, verstärkten Kündigungsschutz. Dieser soll Arbeitnehmer schützen, die sich in einer besonderen Situation befinden und daher besonders schutzbedürftig sind. Eine Kündigung dieser Personen ist nur unter erschwerten Bedingungen oder gar nicht möglich.

Der besondere Kündigungsschutz gilt unabhängig von der Betriebsgröße und der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Er greift auch in Kleinbetrieben und während der Probezeit. Verstöße gegen den besonderen Kündigungsschutz führen zur Unwirksamkeit der Kündigung.

Kündigungsschutz für Schwangere und während der Elternzeit

Schwangere Arbeitnehmerinnen genießen nach dem Mutterschutzgesetz absoluten Kündigungsschutz. Von Beginn der Schwangerschaft bis vier Monate nach der Entbindung ist eine Kündigung grundsätzlich unzulässig. Der Kündigungsschutz greift auch dann, wenn der Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung nichts von der Schwangerschaft wusste – sofern die Arbeitnehmerin ihn innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung informiert.

Während der Elternzeit besteht ebenfalls ein absolutes Kündigungsverbot. Dieses beginnt mit der Anmeldung der Elternzeit, frühestens jedoch acht Wochen vor deren Beginn. Auch hier sind Ausnahmen nur mit Zustimmung der Behörde möglich, die praktisch nie erteilt wird.

Eine Kündigung trotz Schwangerschaft oder Elternzeit ist nur in absoluten Ausnahmefällen möglich, etwa bei Betriebsstilllegung, und bedarf der vorherigen Zustimmung der zuständigen Aufsichtsbehörde. Diese Zustimmung wird nur in seltenen Fällen erteilt.

Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen

Schwerbehinderte Menschen und ihnen Gleichgestellte können nur mit vorheriger Zustimmung des Integrationsamtes gekündigt werden. Der Arbeitgeber muss vor Ausspruch der Kündigung einen Antrag beim Integrationsamt stellen. Dieses prüft, ob die Kündigung mit der Behinderung zusammenhängt und ob alle Möglichkeiten zur Weiterbeschäftigung ausgeschöpft wurden.

Das Zustimmungsverfahren dauert in der Regel mehrere Wochen. Kündigt der Arbeitgeber ohne Zustimmung oder vor deren Erteilung, ist die Kündigung unwirksam. Der besondere Kündigungsschutz gilt ab dem Tag der Antragstellung beim Versorgungsamt auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft.

Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder und Datenschutzbeauftragte

Betriebsratsmitglieder genießen während ihrer Amtszeit und ein Jahr danach besonderen Kündigungsschutz. Eine ordentliche Kündigung ist ausgeschlossen, eine außerordentliche Kündigung nur mit Zustimmung des Betriebsrats oder ersatzweise des Arbeitsgerichts möglich. Dieser strenge Schutz soll verhindern, dass Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit benachteiligt werden.

Auch Datenschutzbeauftragte und Immissionsschutzbeauftragte genießen besonderen Kündigungsschutz. Sie können nur aus wichtigem Grund gekündigt werden, und dieser Grund darf nicht in ihrer Tätigkeit als Beauftragte liegen. Der Schutz besteht noch ein Jahr nach Abberufung fort.

Praxis-Tipp: Besonderen Kündigungsschutz geltend machen

Teilen Sie Ihrem Arbeitgeber unverzüglich mit, wenn Sie besonderen Kündigungsschutz genießen – auch wenn Sie glauben, er wisse davon. Bei Schwangerschaft haben Sie zwei Wochen Zeit nach Zugang der Kündigung. Dokumentieren Sie Ihre Mitteilung schriftlich und bewahren Sie einen Nachweis auf. Eine Kündigung ohne Beachtung des besonderen Kündigungsschutzes ist unwirksam.

Der besondere Kündigungsschutz ist ein wichtiges Instrument zum Schutz vulnerabler Gruppen im Arbeitsrecht. Er stellt sicher, dass Schwangere, Menschen mit Behinderung und Arbeitnehmervertreter ihre Rechte wahrnehmen können, ohne Angst vor Repressalien haben zu müssen. Bei einer Kündigung sollte daher immer geprüft werden, ob ein besonderer Kündigungsschutz einschlägig sein könnte.